Versuch der Winterbegehung des Hauptkamms der Westlichen Tatra

Slowakei

Februar/März 1982

Originalfotos: Praktica MTL-3, ORWO Umkehrfilm UT 18, ORWO Negativfilm NP 20 und NP 27

Digitalisierung: Reflecta ProScan 7200, VueScan Pro 9, Lightroom Classic

An den Dias und insbesondere an den SW-Negativen hat der Zahn der Zeit gehörig genagt, sie haben immerhin fast 40 Jahre auf dem Buckel. Für silberhalogenidbasierte SW-Filme gibt es leider auch keine effektive Möglichkeit der Kratzerentfernung. Trotz der heutigen Ansprüchen nicht mehr genügenden Qualität sind es doch - wie ich finde - schöne Erinnerungsfotos.

Ende Februar 1982 starteten wir unseren ersten Versuch, den Hauptkamm der Westtatra im Winter zu begehen. Mit (zu) schweren Rucksäcken stiegen wir von Jalovec durch das Jalovská dolina auf, um den Hauptkamm im Sedlo Pálenica zu erreichen.

Die Tage waren insgesamt windig, neblig und kalt. Die Felsformationen der Tri kopy konnten wir noch passieren, das darauffolgende Biwak sollte leider schon unser letztes sein.

Als wir unser Biwak unterhalb des Kamms in der Nähe des Smutné sedlo einrichteten, blies ein kräftiger Wind talwärts. Wir gruben die Standflächen für unsere Zelte in den Hang und stellten diese mit dem Eingang in Richtung Tal auf.

Kaum lagen wir in den Schlafsäcken, drehte der Wind und wurde zu einem ausgewachsenen Sturm, der nun bergwärts blies. Unsere Zelte hatten schlauchartige Eingänge, die wir vermutlich nicht sorgfältig genug verschlossen hatten. Irgendwann in der Nacht riss der Sturm unseren Eingang auf, und es gelang uns nicht, diesen wieder richtig zu verschließen. So waren mein Zeltpartner Bernd und ich für den Rest der Nacht damit beschäftigt, abwechselnd den Eingang notdürftig zuzuhalten.

Am Morgen waren die Schlafsäcke aller Teilnehmer unserer Tour vom in die Zelte eingedrungenen Schnee feucht geworden und dann gefroren. In Anbetracht dessen, dass immer noch ein scharfer und eisiger Wind blies, der an diesem Tag ein Weitergehen als aussichtslos erscheinen ließ, entschlossen wir uns schweren Herzens, die Tour abzubrechen und in Richtung Norden abzusteigen. Während unseres Abstiegs konnten wir noch lange die sturmzerfetzten Wolken über dem Hauptkamm sehen.

So endete unser erster Versuch mit einem Misserfolg, trotzdem hatten wir ein paar schöne und unvergessliche Tage in einer urwüchsigen Winterlandschaft. Die auf dieser Tour gewonnenen Erfahrungen sollten uns bei unseren beiden nachfolgenden Versuchen zugute kommen. Die wichtigsten Erkenntnisse waren, mit leichteren Rucksäcken zu starten und die Biwakplätze nach Möglichkeit mit Schneemauern zu umgeben (s. unsere Tour von 1984).

Noch ein paar Details am Rande, an die Christine mich wieder erinnert hat. Der Bergsport zählte in der damaligen DDR nicht zu den förderungswürdigen Sportarten. Was die Ausrüstung anbetraf, war viel Erfindungsgeist und Improvisationstalent gefordert. Man konnte nicht einfach ins nächste Sporthaus gehen und sich seine Ausrüstung zusammenstellen. Die auf den Fotos zu sehenden Kletterhelme waren eigentlich Bauhelme und die Gletscherbrillen umgebaute Schweißerbrillen. Kletterschuhe wurden aus "Tramperlatschen" oder Fußballschuhen gebastelt, denen eine Kreppsohle verpasst wurde. Wir haben Zelte genäht, Klettergurte, Klemmkeile und Felshaken selbst gefertigt, einer unserer Bergkameraden schaffte es sogar, ein Friends-Klemmgerät in Handarbeit zu produzieren. Als Vorlage dienten heimlich ins Land geschmuggelte Bergsportkataloge aus dem "Westen". Die schweren, steigeisenfesten Lederbergschuhe haben wir auf unserer Westtatratour nachts, in einer Tüte verpackt, mit in den Schlafsack genommen, um uns das Weichkneten am nächsten Morgen zu ersparen. Ähnliches passierte mit dem Brot. Alles Dinge, die aus heutiger Sicht kaum mehr vorstellbar sind, damals aber völlig normal waren. Heute würde man sagen, dass wir unsere Komfortzone des öfteren verlassen haben.

Über diesen Link kann die Karte in Google Maps betrachtet werden.

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